Von Gottschalks Blackfacing bis zu fragwürdigen Festival-Looks
Das Thema kulturelle Aneignung ist in den letzten Jahren immer wieder öffentlich aufgekommen aber noch nicht ausreichend diskutiert. Warum? Es ist ein komplexes Thema, das Empathie, Vorwissen und Neugier voraussetzt.
Das Blackfacing
In der viel diskutierten WDR-Sendung “Die letzte Instanz” vom 29.01.2021, in der Steffen Hallaschka mit dem überaus Weißen und privilegierten Panel aus Autor Micky Beisenherz, Schauspielerin Janine Kunze, Schlagersänger Jürgen Milsky und Entertainer-Legende Thomas Gottschalk über Alltagsrassismus sprach, glänzte letzterer mit einer Anekdote zur Ausführung dieser rassistischen Methode. Als Zeichen der Verehrung habe er sich auf einer Party mal als Jimi Hendrix verkleidet und sich das Gesicht schwarz angemalt. Dies sei für ihn ein “Erweckungserlebnis” gewesen, denn er habe zum ersten Mal verstanden, wie es für einen Schwarzen als Minderheit ist, unter Weißen zu sein. Nicht nur, dass er damit die lebenslange und meist alltägliche Diskriminierung von Schwarzen Menschen verharmlost, weil sie für ihn durch die einmalige Verkleidung „erfahrbar“ geworden sei, er bediente sich damit auch einer Methode mit grausamer Historie – die Historie der Sklaverei. Durch das sogenannte Blackfacing wurden
Schwarze in Theatern und der Schaustellerei mit optischen und charakterlichen Stereotypen als Sklaven nachgeahmt. Da sollte wirklich klar sein, dass Blackfacing – auch wenn vermeintlich keine böse Absicht dahintersteckt – indiskutabel ist.
Aber welche Formen von kultureller Aneignung gibt es und warum sind sie problematisch?
Cultural Appropriation (auf Deutsch: kulturelle Aneignung) heißt, dass Menschen der dominanten Gesellschaftsgruppen kulturelle Elemente einer marginalisierten Gruppe verwenden, beispielsweise aus Mode und Musik. Bespricht man das Thema, geht es meist um die Verwendung von Elementen zum eigenen Vorteil, also unter anderem auch, um sich kapitalistisch daran zu bereichern und/oder die Entfremdung ihrer Bedeutung. In der Öffentlichkeit bereits diskutierte Beispiele sind Karnevalskostüme, die Stereotype der Native Americans und der chinesischen Bevölkerung abbilden. „Aber das ist doch nicht böse gemeint!“ – Wie ist es dann gemeint? Kulturelle Wertschätzung kann es nicht sein, wenn man sich lediglich an Klischees in Form von billigen Karnevals-Polyester-Fummeln mit herabwürdigenden Kostümbezeichnungen bedient, um sich der Kultur gegenüber unwissend und uninteressiert volllaufen zu lassen. Zugegebenermaßen ist das spitz formuliert, aber es macht die Problematik sichtbarer. Es geht um Identitäten, die von der Mehrheitsgesellschaft ohne Rassismus Erfahrung abwertend nachgeahmt werden.
Auch ich kann davon berichten: Es fühlt sich einfach nicht gut an, als Deutsche mit asiatischem Migrationshintergrund eines Elternteils immer wieder dumme Sprüche wie „Ching, Chang, Chong“ (was soll das eigentlich bedeuten?) zu hören. Und so geht es vielen. Warum also so vehement darauf beharren, Kulturen weiterhin negativ zu reproduzieren?
Der Grat zwischen Aneignung und Wertschätzung ist schmal
Viele prominente Menschen geraten immer wieder in die Kritik, Blackfishing (die kulturelle Aneignung von Weißen Künstler*innen aus der Popkultur, die sich für Coolness und Street-Credibility mit äußeren Merkmalen der Schwarzen/Hispanic-Community schmücken) für ihren eigenen Profit zu betreiben. Beispielsweise, wenn sich „Positions“-Sängerin Ariana Grande ein Latina Image aufbaut und viel dunkler schminkt, als sie es mit ihren italienischen Wurzeln wirklich ist. Oder auch der Designer Marc Jacobs, der mehrmals Kritik einstecken musste, weil er immer wieder Weiße Models mit Locks und Afros ablichtete oder auf den Laufsteg schickte
Auch Elvis Presley verdiente ein Vermögen mit Blackfishing
Dabei geht es nicht um Eifersucht oder Ähnliches der betroffenen Kritiker:innen. Ihre Identitäten, für die sie so viel Diskriminierung und Nachteile erfahren, dürfen keine Trends sein, die Weiße Menschen einfach wieder ablegen können. Wenn man mit einem offenen Blick durch die Welt geht, wird man überall kultureller Aneignung begegnen: die vor einiger Zeit so beliebten Holi-Festivals, die Trendwelle Yoga und Traumfänger, die in einigen Schlafzimmern hängen. Aber dürfen wir jetzt aus anderen Kulturen gar nichts mehr wertschätzen? Der Common Ground könnte sein, dass sich Kulturen aufgrund der Globalisierung einfach vermischen und verschmelzen. Es macht Spaß, neue Kulturen kennenzulernen. Sie bereichern unser Leben und schärfen den Blick auf die Welt. Aber es liegt in unserer Verantwortung, sie respektvoll zu behandeln, uns zu informieren und – sollten wir mit Aneignung Geld verdienen – dafür zu sorgen, dass diese Communities ebenfalls davon profitieren.
Bildquelle: AbobeStock/@ Ricardo Ferrando